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Vicki Baum

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Kanaren – La Palma: Meeresschildkröten in Gefahr

La Palma 24 | 01.09.2015 | 0 | Diesen Artikel teilen

Erste Hilfe für tierische Leistungsschwimmer

 

Was haben die Karibischen und die Kanarischen Inseln gemeinsam? Ganz klar: Sie sind das Ziel sonnenhungriger Urlauber. Weniger bekannt ist dagegen, dass noch eine Spezies der ganz anderen Art Kurs auf die Archipele nimmt: Im tropischen Westatlantik geborene Meeresschildkröten leistungsschwimmen tausende von Kilometern in den östlichen Zentralatlantik und paddeln zur Eiablage wieder zurück. Die meisten der gepanzerten Ozean-Nomaden steuern Gran Canaria und Teneriffa an. Einige jedoch landen auf den kleinen Kanareninseln wie La Palma – bedauerlicherweise nicht immer in gutem Zustand.

 
Böse Falle: in Fischernetz verfangene Tortuga Boba. Foto: Reserva Marina La Palma Tamia Brito

Böse Falle: in Fischernetz verfangene Tortuga Boba. Foto: Reserva Marina La Palma Tamia Brito

Menschen haben Schildkröten schon immer geliebt. Leider nicht nur in Büchern oder Filmen, wo die mehr als 200 Millionen Jahre alten Reptilien stets die Guten spielen. Jahrhundertelang hatten Feinschmecker sie zum Fressen gern, ihr Panzer und Fett wurden dem Modegott in Form von Schildpatt-Schmuck und Taschen sowie der Kosmetikindustrie geopfert. Damit ist jetzt Schluss, allerdings war es schon fünf vor Zwölf, als die weltweit sieben Spezies von Meeresschildkröten unter Artenschutz gestellt wurden. Und nach wie vor gehören sie zu den gefährdetsten Tieren der Erde, wobei ihre Feinde heutzutage Langleinen, Schleppnetze, Schiffe, Wasserverschmutzung und Erderwärmung heißen. Tamia Brito, Biologin des Meeresschutzgebietes im Südwesten der Kanareninsel La Palma, kann ein trauriges Lied davon singen: „Vor allem im Sommer, wenn viele Leute am Strand und mit ihren Booten unterwegs sind, werden vermehrt verwundete Wasserschildkröten entdeckt und in unsere Station im Hafen von Tazacorte gebracht.“ Dann greift die Rettungsmaschinerie für die meist unentrinnbar in Fangleinen oder Plastikabfälle verwickelten Tiere. „Sind sie nur leicht verletzt, transportieren wir sie nach Puntallana“, berichtet Tamia. „Im dortigen Pflanzengarten der Inselregierung steht ein Becken, wo sie unter tierärztlicher Aufsicht gesundgepflegt und anschließend wieder ins Meer entlassen werden.“

Befreite Tortuga: Netzabdruck am Hals bleibt sichtbar. Foto: Reserva Marina La Palma Tamia Brito

Sind die auf La Palma angelandeten Paddler sehr schwer verletzt, werden sie nach Gran Canaria ins „Centro de Rehabilitación de Fauna Silvestre Tafira“ – CRFS - geflogen. Seit 25 Jahren Jahre kümmert sich dieses Erholungszentrum für Wildtiere unter anderem auch um angeschlagene Meeresschildkröten – in enger Zusammenarbeit mit dem „Instituto Canario de Ciencias Marina“ sowie dem „Instituto de Algológia Aplicada“ und der tierärztlichen Fakultät der Universität von Las Palmas de Gran Canaria. Auf Teneriffa arbeitet ein zweites CRFS in La Laguna, wobei der Rettungsdienst wie auf Gran Canaria von Erste-Hilfe-Maßnahmen über chirurgische Eingriffe bis hin zur Schildkröten-„Reha“ reicht.

Beschädigter Panzer: Tortuga Boba nach Zusammenstoß mit einem Boot. Foto: Reserva Marina La Palma Tamia Brito

    Die Erfolgsquote im CRFS auf Gran Canaria kann sich sehen lassen. Nach Angaben des Tierarztes Pascual Calabuig werden rund 75 Prozent aller ins Erholungszentrum eingelieferten Meeresschildkröten wieder gesund ins Meer entlassen. Wobei zu beachten ist, dass 12 Prozent bereits tot zu Obduktionszwecken eingeliefert werden, 3 Prozent nicht zu retten sind und eingeschläfert werden müssen - 9 Prozent sterben während der Behandlung. Die Gesamtzahl der aufgenommenen Meeresschildkröten schwankt von Jahr zu Jahr, hauptsächlich aber ist die auf den Kanaren und weltweit häufigste „Unechte Karettschildkröte“ betroffen. „Caretta caretta“ nennt sie der Lateiner, auf den Kanaren heißt sie „Tortuga Boba“ – die „faule Schildkröte“. Grund: Sie dümpelt gerne gemütlich stundenlang an der Wasseroberfläche.

Darauf kommt es an: Erste Hilfe für verletzte Tortugas.

Das macht sie zum optimalen Opfer für auf dem Atlantik treibenden Plastikmüll und Fangleinen sowie für Zusammenstöße mit Booten. „73 Prozent aller Verletzungen sind auf menschliche Einflüsse zurückzuführen“, weiß Pascual Calabuig. Aus diesem Grund fordern Tierschützer rund um den Globus eine Ausweitung der Meeresschutzgebiete. Nach Angaben von „Take-Part“ ist nur 1 Prozent der Weltmeere im Vergleich zu 11 Prozent der Landmasse der Erde geschützt. Calabuig quält eine weitere Sorge: die noch nicht umfangreich erforschte Wirkung von Kohlenwasserstoff-Verbindungen im Meer. Diese Erdöl-Abkömmlinge lagern sich im Organismus der „Tortuga Boba“ und ihrer Verwandten ab und rufen die unterschiedlichsten Krankheitsbilder hervor. Damit nicht genug, macht zudem die Erderwärmung den Wasserschildkröten zu schaffen. Aufgrund einer in Costa Rica durchgeführten Studie haben Wissenschaftler festgestellt, dass steigende Temperaturen die Feuchtigkeit im Sand verringern, was sich auf die darin abgelegten Eier auswirkt. Ihre Befürchtung: die Überlebenschancen junger Schildkröten könnte sich bei gleichbleibender Erderwärmung in Zukunft halbieren. Dabei haben es die „Küken“ ohnehin nicht leicht - von 5.000 aus dem Ei geschlüpften Jungtieren erreicht nur eines das Erwachsenenalter. Sein besonderes Augenmerk auf den Nachwuchs richtet deshalb der „Tortuga-Boba-Kindergarten“ auf der Kanareninsel Fuerteventura. Weil Meeresschildkröten zur Eiablage immer an ihren Geburtsort zurückkehren, vergraben die Mitarbeiter der Aufzuchtstation von Morro Jable seit 2005 regelmäßig Gelege am Strand von Cofete. Ihre Hoffnung: Die überlebenden Nestschlüpfer müssten bei ihrer Geschlechtsreife nach 15 Jahren Streunerei im Meer naturgemäß wieder Kurs auf Fuerteventura nehmen und sich dann selbst um die Sache mit dem Nachwuchs kümmern.

Weiter geht die Reise: Gesundgepflegte Tortuga Boba auf dem Heimweg ins Meer. Foto: Reserva Marina La Palma Tamia Brito

Entsprechend dieser Gewohnheit stammen die Meeresschildkröten, die sich heutzutage in kanarischen Gewässern tummeln, meist aus den tropischen Gewässern des Karibischen Meeres, aus Brasilien, und einige schwimmen außerdem von den Kap Verden daher. Welche Strecken die „Nomaden der Meere“ tatsächlich hinter sich bringen, erforscht das „Observatorio Ambiental Granadilla“ (OAG) in Santa Cruz de Tenerife. Bei der Operation „Tortuga Boba“ wurde einer Auswahl von knapp 20 Meeresschildkröten ein Chip verpasst, mit dem sie via Satellit überwacht werden können. Den Rekord hält derzeit „Aurora“, die 2009 auf La Gomera markiert wurde. Die damals knapp 54 Zentimeter große Leistungsschwimmerin paddelte daraufhin 6.172 Kilometer zur Eiablage in die Karibik. Wobei sie fröhlich hin und her kreuzte – die Direktlinie hätte sie nur 4.766 Kilometer gekostet. Aber Frau Turtle will schließlich unterwegs was sehen. Für alle, deren Herz für die schwerstgefährdeten Meeresschildkröten schlägt, hat Tamia Brito von der Reserva Marina La Palma einen Rat: „Jeder kann zum Schutz der Tortugas beitragen – vermeiden Sie Plastikmüll, und werfen Sie auf keinen Fall Plastiktaschen oder ähnliches in den Atlantik.“Das Meeresschutzgebiet La Palma in Kürze 

Sitz des Reserva-Marina-Büros: Gebäude im Hafen von Tazacorte. Foto: La Palma 24

Auf den Kanaren gibt es drei Meeresschutzgebiete – eines davon befindet sich im Südwesten der Insel La Palma. Im Jahr 2001 vom spanischen Staat eingerichtet, umfasst es eine knapp dreieinhalbtausend Hektar große Fläche zwischen Charco Verde und Fuencaliente.

Hafen von Tazacorte: eines der beiden Reserva-Marina-Boote. Foto: La Palma 24

Inmitten dieses Schutzgebietes gibt es ein sogenanntes „Totalschutzgebiet“, in dem nur genehmigte wissenschaftliche Forschungen betrieben werden dürfen. In der übrigen „Reserva Marina“ können gewerbliche Fischer arbeiten, sofern sie im Sonderverzeichnis für Fischereirechte verzeichnet sind.  Privatpersonen, die fischen oder tauchen wollen, müssen sich eine Genehmigung im Büro der Reserva Marina im Hafen von Tazacorte holen. Telefon: 922.48.11.04.Überwacht wird das Meeresschutzgebiet zur Zeit von drei Mitarbeitern mit zwei Booten. Biologin Tamia Brito ist von Anfang an dabei und resümiert: „Nach mehr als zehn Jahren Arbeit hat sich das Gebiet so regeneriert, dass wir heute ein mehr als akzeptables Niveau der Fischbestände sowie einen beträchtlichen Anstieg der verschiedenen Spezies verzeichnen können.“  

Von La Palma 24

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