aktuall wetter la palma | 18:14

Du musst verstehen, dass es mehr als einen Weg zur Spitze des Berges gibt
Miyamoto Musashi

Ad
Palminvest Immobilien La Palma
Palminvest Immobilien La Palma Palminvest Immobilien La Palma

Gastbeitrag Claudia Gehrke – Literarisches La Palma Lesebuch

Gastbeitrag | 19.12.2021 | 0 | Diesen Artikel teilen
© Claudia Gehrke

Literarisches La Palma Lesebuch – libro de viajes literarios (Hg. Simone Eigen & Claudia Gehrke)

Schon seit einiger Zeit sammelten Simone Eigen und ich Beiträge für ein neues zweisprachiges La-Palma-Lesebuch, das an unser inzwischen vergriffenes erstes Buch anschließt: den „Inselklassiker“ „La Palma“. (1985 erschienen, mit vielen zeitlosen Texten und einigen, die die frühen 80er zeigen).

In diesem Jahr wurde es konkret mit dem neuen Buch. Ich war Juni und Juli auf der Insel, lud weitere Autoren und Autorinnen ein; wunderschöne Texte kamen zu unserer Sammlung noch hinzu, u.a. von Lucía Rosa González, Elsa Lopéz, Ricardo Hernández Bravo, José Antonio Martín Corujo, Fernando Rodríguez Sánchez (von Palmeros en el mundo), Sandra Lorenzo, Mathias Siebold und Peter Butschkow mit seinen humorvollen Inselgeschichten, Malerei von Ana Brígida, Ruben Sánchez Medina, Sylvia Catharina Hess und Rose Marie Dähncke.

Dann feilten wir an den Übersetzungen. Einige Begriffe fanden sich in keinem spanisch-deutschen Wörterbuch. Diese Begriffe gehören zu den Inseln, sie bezeichnen Gefühle genauso wie geografische und andere Besonderheiten, die es vielleicht nur dort gibt, schöne klangvolle, ihre Bedeutung anklingen lassende, Wörter.

Manche fanden wir in einem „kanarisch-spanischen Wörterbuch“, zum Beispiel „magua“, eine besondere Sorte Schmerz, verbunden mit Sehnsucht, schwer in ein deutsches Wort zu packen. Ein Wort fand ich auch in den kanarischen Wörterbüchern nicht.

© Claudia Gehrke

Wir übersetzten das Wort nicht und gaben der Zeile den Sinn, den wir vermuteten. Nachdem Ricardo Hernández Bravo seine Korrekturfahne erhalten hatte, unterhielten wir uns über eine Wolke. Er erklärte mir das Wort „lisura“, was es wohl nur auf La Palma gibt. Es bezeichnet eine kleine kompakte runde Wolke (an meist noch blauem Himmel), die Regen andeutet. Die Wolke, ein Wassermond. Die Erklärung, was das ist, wäre für ein Gedicht viel zu lang gewesen.

© Claudia Gehrke

Aus der großen Vielfalt von Texten und Bildern reisender und Insel-Autor*innen formte sich ein Ganzes, dann flog ich wieder nach Deutschland. Im letzten Moment vor Drucklegung kamen weitere kurze Beiträge an, Dörthe Onigkeit von LaPalma 24 über die Landschaft unter Wasser, Gedichte von Harald Braem, Petra Stabenow (von La Palma Logistik) schilderte einen Moment in Calimahitze und Rosario Valcárcel schickte Fotos und einen Beitrag über ihre Großmutter, eine der für ihre Zeit mutigen und selbständigen Frauen aus La Palma, die später auf Teneriffa eine Akademie gründete.

Und Antonio und Inés Dietrich (Autorin des sowohl auf Deutsch wie 2021 auch auf Spanisch erschienenen Buchs „Geheimnisse der Insel La Palma Reiseführer durch 12 Monate“ / „Viva La Palma, una guía para 12 meses“) verfassten auf meinen Wunsch hin noch einen Text über den Bau von Lavasteinhäusern, der eine Frage aus einem Text von Yoko Tawada beantwortet, der im Buch nun direkt davorsteht. Die Protagonistin fragte sich, was die Menschen beim Zusammenfügen der Steine dieser Mauern denken.

Ein Feuer in El Paso brach aus. Kurz vor Drucklegung machte ich mir plötzlich Sorgen, ob die schwierigen Gedichte trotz vielfacher Bearbeitung wirklich richtig übersetzt waren, und Stefan Braun vom La Luna korrigierte. Ich ergänzte mein Vorwort bis zum Tag der Drucklegung am Tag nach dem Feuer. Da es Papierlieferschwierigkeiten gab, dauerte es, bis endlich die Druckplatten in die Maschine kamen. Der Vulkanausbruch begann. Ich stoppte den Druck des ersten Bogens am Montag, den 20.9., und setzte auf die S. 1 noch eine Widmung und die Information über den beginnenden Ausbruch.

Claudia an ihrem Arbeitsplatz © Claudia Gehrke

Herausgekommen ist ein vielfältiges Buch, 520 Seiten, durch die Zweisprachigkeit bedingt wurden es so viele. Wir nahmen ein schönes, aber nicht dickes Papier, sodass das Buch noch gut in der Hand liegt, gebunden mit Lesebändchen.

Garten unterhalb der Calle El Frontón frühe 80er Jahre
© Claudia Gehrke

Eine erste Rezension
„Dieses zauberhafte, sehr inhaltsreiche Buch lässt uns die wunderschöne Insel La Palma erkunden und an eigene Aufenthalte dort erinnern. Es versammelt Erzählungen, Gedichte, Erinnerungen, sachliche Beschreibungen und viele Fotos von Einheimischen und Reisenden. So bekommt man beim Lesen immer neue Eindrücke, die sich auf das frühere oder heutige Leben auf La Palma beziehen. Man kann in den eingestreuten Fotos und Gedichten versinken; eigene Erlebnisse werden wiedererweckt.

Manches existiert durch den Vulkanausbruch nicht mehr. Dieses Buch zeigt auch eindrücklich, worum die Menschen trauern, und man versteht, was sie und wir alle verloren haben.
Eine wundervolle zweisprachige (deutsch / spanisch) Reminiszenz an dieses Stückchen Erde mit allem, was darauf lebt, mit liebevollem Blick geschrieben von vielen Autorinnen und Autoren. Besonders jetzt eine wärmende Lesereise.“
(Sigrun Klüger, Kulturette 31, Dezember 2021)

Der Klappentext:
„Autorinnen der Insel und Reisende lassen eine literarische Landschaft lebendig werden, in Erzählungen, Gedichten, Erinnerungen, Anekdoten und Essays. Alltäglich, poetisch, heiter, vergnügt und surreal, mitten aus dem Leben von heute und früher. Eine Reise zu verborgenen Orten, eine intime und vielfältige Sicht, durch die das Gesumm der Plazas dringt. Die Essenz der Insel wird sichtbar.

Eine kleine, weitgehend unbekannte Literaturlandschaft, mit Einflüssen aus drei Kontinenten, Europa, Afrika und Südamerika (wohin die Emigranten gingen).

© Claudia Gehrke

Auch lesen wir über die Geschichte der Frauen, des Theaters, über Emigration, Widerstand, erste Begegnungen mit der Insel, das Meer, Unheimliches, Feste, Bananen, Wanderungen, die im Weintrinken enden, und vieles mehr. Mit historischen Fundstücken sowie Fotografie und Malerei aktueller Künstlerinnen.“
520 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Fadenheftung und Lesebändchen, viele Bilder, ISBN 978-3-88769-647-4

Auf amazon.de

Auf amazon.es

Auf der Verlagshomepage

Nach Spanien und La Palma hat Amazon vermutlich weniger Versandkosten als wir ;-)

Garten unterhalb der Calle El Frontón frühe 80er Jahre
© Claudia Gehrke

PS
Ich bin froh, dass das Buch vor Vulkanausbruch in Druck ging, denn sonst wären die Beiträge vermutlich alle von Trauer durchzogen. Viele Texte im Buch spielen in den nicht vom Vulkan betroffenen Teilen der Insel. Der Vulkan hat ja nur einen kleinen Teil der Insel so brutal verändert. Die anderen Gegenden sind unverändert.

Wenn es aber einmal zu einer Nachauflage kommen sollte, würde ich die Adressen und Namen des Verschwundenen zu den Fotos und Texten hinzuschreiben. Z.B. stünde dann unter meinem Vorwort „Calle El Frontón 7“. Und unter dem Text „Der Hundeboulevard“ stünde: „Calle Alcalá“.

Ich (die Verlegerin) verbrachte seit fast 40 Jahren jedes Jahr einige Monate in diesem vom Vulkan betroffenen Teil, in einem generationen-alten Lavasteinhaus (des Autors Udo Rabsch, der selbst schon lange nicht mehr reist). Das Haus lag unterhalb der im Frühjahr märchenhaft blühenden Cabeza de vaca in einem Garten voller Früchte. Der älteste der Nachbarn wohnte als Kind und junger Mann in unserem Haus. Als er heiratete, baute das Paar auf ihrem Gelände oberhalb der El Frontón (damals noch ein Holperweg, Sackgasse, die bei uns endete) ein neues Haus und das Gelände unterhalb samt altem Haus kaufte der Autor Udo Rabsch (sein letzter Roman, der auf der Insel entstand, ist „Der Gelbe Hund“).

Claudia Gehrke

Es gab ganz am Anfang unserer Zeit noch kein fließendes Wasser und keinen Strom. In dem Aljibe wurde das Regenwasser gesammelt, wir hatten einen Camping-Gasherd und Petroleumlampen. Im Lauf der Jahre bauten die Kinder und die Enkel des Nachbarpaares nach und nach weitere Häuser auf das Gelände oberhalb der El Frontón, ein Familiendorf wuchs, zu dem auch wir gehörten.

Als etwa 15-jähriger Junge sah der Nachbar von unserem alten Haus aus den Ausbruch des San Juans. Unterhalb unseres Hauses unser großer wilder Naturgarten mit großen Palmen, Feigenbäumen, Orangen, Zitronen, Guaven, Äpfel, Birnen, Nisperos, Pflaumen- und Nektarinenbaum und alten Mandelbäumen (nur die Mandeln, Feigen und die älteste, größte Palme waren schon vor uns da und freilaufende Ziegen, die anderen Bäume haben wir gepflanzt und wachsen gesehen – und seit einiger Zeit gab es unterhalb einen riesigen Ziegenstall und Käseproduktion – hoffentlich wurden auch diese Ziegen gerettet). Im Haus lagerte auch ein kleiner Teil des Verlagsarchivs. Bücher entstanden, beim Arbeiten der Blick ins Tal. Der Blick ist wie eingewachsen, was von dort aus zu sehen war und auf den Spaziergängen oder Fahrten zum Meer, zum Einkaufen.

Calle El Frontón ca. 1985 -Claudia Gehrke und Nichte Sarah © Claudia Gehrke

Als die Lava die ganze Gegend begrub, waren hinter einem der rasenden Höllenströme (in der Zeit gab es viele Videos, wo das zu sehen war, aufgenommen von einem Hügel neben dem Haus, inzwischen ist die Lava meterhoch und auch über diesem Hügel. So nah an der Eruptionsstelle waren die Ströme schnell) … also hinter dem Strom waren die starken Lavasteinmauern unseres Hauses noch lange zu sehen, auch die größte Palme, in der jahrzehntelang ein Grajapaar lebte. Sie sah gespenstisch aus zum Schluss, gleichzeitig bewundernswert. Wie lange sie sich hielt!

Es sind bisher gut 3000 Gebäude verschwunden, Gärten, Plantagen, nicht alle beim Katasteramt registriert. Dauernd sehe ich mir die Nachrichten an: auf LaPalmaAhora.com, Eltime.es, elapuron.com, die live YouTube-Videos von TVLaPalma (nachts spät, dort kommen interessante Interviews und Beiträge neben den Live Bildern), die Nachrichten und das Vulkantagebuch von Mathias Siebold auf La Palma aktuell – und natürlich alles auf der Seite von La Palma 24!

Wie bei vielen anderen Betroffenen war unsere Gegend nicht sofort weg. Die Nachbarn hofften die ersten Wochen und schickten uns Drohnenvideos, die ein Freund gedreht hatte. Alles war noch da … Wie viel furchtbarer als für mich muss es für alle anderen gewesen sein, die alles verloren und das teilweise jetzt erst, Monate nach Ausbruchsbeginn. Ich habe ja auch ein Zimmer in Deutschland, aber ich vermisse mein Zuhause in La Palma ganz furchtbar.

Blick Ende November © Ticom Soluciones

Folge uns auf

Schreibe einen Kommentar

Wir freuen uns über Meinungen, Anregungen und Kommentare.

Your email address will not be published.