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Gastbeitrag: Versammlungsorte der Ureinwohner

La Palma 24 | 13.04.2018 | 1 | Diesen Artikel teilen

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Versammlungsorte der Ureinwohner auf La Palma: Ein Essay von Harald Braem

 
Harald Braem: Autor vieler Bücher über La Palma und die Kanarischen Inseln.

Harald Braem: Autor vieler Bücher über La Palma und die Kanarischen Inseln.

Hier zelebrierten die Benahoaritas ihre Rituale

Harald Braem schreibt ohne Unterlass: Aus seiner Feder flossen bisher rund 750 Einzelveröffentlichungen sowie zahlreiche historische Romane, Erzählungen und Sachbücher. Einige davon drehen sich um die Kanaren und La Palma, wo der Autor ein paar Monate im Jahr in La Punta lebt. Heute veröffentlichen wir ein Essay von Harald Braem zum Thema Versammlungsplätze der Ureinwohner.

Ureinwohner von La Palma: Sie nannten sich Benahoaritas und ihre Insel Benahoare. Foto: Transvulcania

Ureinwohner von La Palma: Sie nannten sich Benahoaritas und ihre Insel Benahoare. Foto: Transvulcania

 Vor der Eroberung der Insel San Miguel de La Palma, deren ursprünglicher Name Benahoare war, durch die Spanier 1492/93 lebten hier zwölf Stämme der Ureinwohner. Die Benahoaritas hatten das Weideland entlang der Schluchten, die hierzlande Barrancos heißen, in kleine Königreiche aufgeteilt, wobei ihre Gesamtzahl auf etwa 10.000 bis 12.000 Personen geschätzt wird. Als zentraler Versammlungsplatz aller Stämme galt das natürlich zum Rund geformte Areal am Pico de la Nieve mit seinem roten Felsen und seinen vielen Petroglyphen. Dieser Caldera-Gipfel ist relativ leicht mit dem Auto und einem kurzen Fußmarsch zu erreichen.
Der Roque Teneguía:

Der Roque Teneguía: Auch hier versammelten sich die Benahoaritas. Foto: Senderos de La Palma

Ein wegen seiner vielen, inzwischen leider stark verwitterten Felsbilder, bemerkenswerter Ort ist der Versammlungsplatz am Roque Teneguia unterhalb des Vulkans Teneguia. Er ist vom Besucherzentrum aus mit einem kurzen Fußmarsch durch schwarze Lavaasche erreichbar. Es handelt sich um die Reste eines uralten erodierten Vulkanschlots, dem der Überlieferung zufolge einst - neben der heiligen Quelle Fuente Santa - große Bedeutung zukam.
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Cueva Tajodeque: Dieser Kultplatz liegt schwer zugänglich auf einer steilen Felsnase am Rand der Caldera. Foto: Cabildo

Einen Kultplatz mit im wahrsten Sinne des Wortes herausragender Bedeutung stellt die Cueva Tajodeque dar. Ich habe den Ort 1986 erstmals – zusammen mit dem erfahrenen Hirten Ramon El Cabrero und Wissenschaftlern der Teneriffa-Universität La Laguna genauer untersuchen dürfen. Tajodeque liegt auf einer steilen Felsnase am Rand der Caldera de Taburiente in 1.250 Meter Höhe und ist nur für Eingeweihte und erfahrene Bergsteiger vom Roque de los Muchachos aus zu erreichen. Dieser Ritual- und Kraftplatz der Benahoaritas wurde über einen längeren Zeitraum hinweg genutzt. Es gibt Feuerstellen, Rußmalerei sowie Petroglyphen an der Außenwand. Eine davon – übrigens die einzige auf der Insel – ähnelt der noch immer nicht entschlüsselten berberisch-libyschen Tifinaghschrift, eine andere findet gleich mehrfach Parallelen in Irland bei den großen Schmucksteinen von Newgrange.
Der Idafe

Der Idafe war der heilige Berg der Benahoaritas: Der Vulkanschlot im Zentrum der Caldera galt als Weltensäule, die den Himmel stützt. Foto: Senderos de La Palma

Als nächstes sollten wir die Steinkreise nennen, die man auf den Kanaren Tagoror nennt. Heute noch lassen sich größere, sorgfältig aus Felsbrocken geformte runde oder ovale Plätze für Ratsversammlungen der Benahoaritas auf La Palma besichtigen: Zum Beispiel der Steinkreis im Barranco de Gallegos an der Cumbre von Barlovento, der Versammlungsplatz von Tigalate im Barranco Hondo auf dem Gebiet von Mazo und der Tagoror am Lomo Gazmil in der Caldera de Taburiente. Von besonderer Bedeutung war der zugleich als Opferplatz dienende Tagoror am Fuß des heiligen Berges Idafe. Von ihm ist sogar der rituelle Gesang der Ureinwohner in Originalsprache überliefert und in Übersetzung bekannt. Es geht dabei darum, den als beseelt geglaubten Vulkanschlot Idafe im Zentrum der Caldera zu füttern, damit er bei Kräften bleibt und weiterhin als Weltensäule den Himmel stützt. Am Tagoror wurden Ziegen geschlachtet und ihre Innereien vom Faycan - so nannten die Benahoaritas ihre Schamanen - zum Idafe gebracht. Hier warteten Raben, Geier und Adler, die als „Seelenvögel“ und Bindeglied zu den Ahnen galten, bereits auf die Opfergaben. Der Tagoror am Idafe ist heute nur noch über den bunten Wasserfall „Cascada colorada“ zu erreichen. 
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Steinkreise finden sich auch in Irland, England und der Bretagne: Auf La Palma heißen sie Tagorore. Foto: Wikipedia

Die kanarischen Tagorore werden in der Fachwelt oft mit den Cromlechs genannten Steinkreisen in Irland, England und in der Bretagne verglichen. In der Tat sind die Übereinstimmungen in der archäologischen Zone von El Julan auf El Hierro, auf dem Gipfel des Teno auf Teneriffa und bei den Opferplätzen der Ureinwohner auf Gran Canaria zu diesen Regionen verblüffend, was Konstruktion, Formensprache und sogar die astronomische Ausrichtung anbelangt. Man sollte auch die uralten „Bailaderos“ nennen: Hier handelt es sich um kleinere Versammlungsplätze auf den Inseln - etwa auf La Gomera, Teneriffa und El Hierro. Sie kamen als Treffpunkte von Hexen in Verruf, so dass ihre ursprüngliche Bedeutung als Kultplätze der Ureinwohner in Vergessenheit geriet. Auch auf La Palma gibt es solche Tanzplätze, aber sie liegen abseits von zum Beispiel Cueva de Agua, Briesta und San Antonio del Monte versteckt in den Bergen und sind häufig von Gestrüpp überwachsen, so dass ich auf eine genauere Wegbeschreibung verzichten möchte.
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Tagoror bei Tinizara: wurde erst 2018 bei Rodungsarbeiten freigelegt. Foto: Harald Braem

Erst vor kurzem wurde bei Rodungsarbeiten bei Tinizara in der Montaña Riberoles nahe dem Barranco Garome ein weiterer Kultplatz der Benahoaritas freigelegt. Es handelt sich um einen großen Steinkreis mit Sitzflächen in exponierter Lage zur Grenze der alten Stammesgebiete Tixarafe -  heute Tijarafe - und Tagalguen - heute Puntagorda/Garafia. Zur Zeit der spanischen Eroberung vor etwas mehr als 500 Jahren regierte übrigens, urkundlich erwähnt, ein gewisser Atogmatoma von Tixarafe als gewählter Hochkönig über die ganze Insel. Der legendäre Tanausu von Acero, wie die Ureinwohner die Caldera nannten, war Atogmatoma, rein juristisch, untertan und führte seinen Freiheitskampf als Rebell. In der Nähe des Tagorors befinden sich in kleinen Seitenschluchten Tuffsteinhöhlen eines ganzen Dorfes, das irgendwann aufgegeben wurde. Die Höhlen wurden später zu Weinkellern, die auf La Palma Bodegas heißen, umfunktioniert.
Spuren der Ureinwohner findet man an vielen Orten von La Palma: Die einst in Stein geritzte Spirale ist heutzutage auch Bestandteil vieler Souvenirs.

Spuren der findet man an vielen Orten von La Palma: Oftmals schmückten sie ihre Versammlungsplätze mit Petroglyphen in Spiralform. Foto: Cabildo

Manche der alten Tagorore wurden anfangs für Dreschplätze spanischer Siedler gehalten und „era de los antiguas“, also Dreschplatz der Vorfahren, genannt, weil man sich eine andere Art der Nutzung nicht vorstellen konnte. Heute weiß man gesichert, dass es einige Steinkreise bereits zur Zeit der Ureinwohner gab. Sie dienten nicht nur als Versammlungs-, Rats- oder Opferplätze, sondern waren vor allem Orte des gemeinsamen Essens und Kommunizierens. Diese Tradition hat sich in der palmerischen Bevölkerung bis heute erhalten. Jede Familie hätte gern ihren eigenen kleinen Tagoror zum Grillen und Feiern, am besten wenn es die „era“ der Urgroßeltern ist. Die Phase des Dreschens und der harten Arbeit beim Terrassenbau nach der Eroberung währte relativ kurz, nachdem sich herausstellte, dass wegen des Klimas auf La Palma der Weizen nicht richtig wachsen wollte. Die Terrassen zerfielen, die Mühlen wurden aufgegeben. Die alten Tagorore blieben und erfreuen heute Feriengäste mit ihrem nostalgischen Charme.Harald Braem 

Harald gibt  noch ein paar weiterführende Literatur-Tipps:

Restauriere Spirale am Pico de La Sabina: Auch hier trafen sich die Ureinwohner. Foto: Cabildo

Restauriere Spirale am Pico de La Sabina: Auch hier trafen sich die Ureinwohner. Foto: Cabildo

Harald Braem: Auf den Spuren der Ureinwohner. Ein archäologischer Reiseführer für die Kanaren, Zech-Verlag, Teneriffa, Neuauflage 2017, ISBN 978-84-934857-3-3. Erhältlich in einigen Buchhandlungen auf La Palma, über Amazon oder direkt beim Verlag.Jorge Pais Pais/Antonio Tejera Gaspar: La religión de los benahoaritas. St. Cruz de La Palma 2010, ISBN 846145569-X. Sehr zu empfehlen, man muss allerdings Spanisch verstehen.Das Magazin Iruene: Diese spanischsprachige, zum Teil auch in Englisch gehaltene Zeitschrift mit dem Untertitel La Historia Antigua de las islas Canarias ist bisher in neun Ausgaben erschienen. Schwerpunkte sind Astronomie, Astroarchäologie und Felsbildforschung. Der Leser findet aufregend gute Fotos und viele Informationen. Iruene ist für zwölf Euro erhältlich bei LER Librerias La Palma in Los Llanos in der Avenida Carlos Lorenzo Navarro 24.P. Camacho: Guanchen. Mythos und Wahrheit. Die geheimnisvollen Ureinwohner der Kanarischen Inseln. Editorial Weston, ISBN 84-616-1088-1. Sehr informativ und didaktisch gut aufbereitetes Buch, in Deutsch erhältlich bei Teimi in Llanos an der Plaza España hinter der Kirche.Der Roman zur Geschichte der Eroberung von Harald Braem: Tanausú. König der GuanchenZech-Verlag, Teneriffa 2008, ISBN 978-84-933108-0-6. Erhältlich in einigen Buchhandlungen auf La Palma, über Amazon oder direkt beim Verlag.Und natürlich nicht vergessen: Das Archäologische Museum der Benahoaritas MAB in Los Llanos besuchen. Es lohnt sich!
La Palma hieß einst Benahoare: Wie einst bieten sich an magischen Plätzen wundervolle Blicke ins Universum. Foto: Hola Islas Canarias

La Palma hieß einst Benahoare: Der Blick von den magischen Plätzen in den klaren Sternenhimmel hat sich bis heute nicht verändert. Foto: Hola Islas Canarias

     

Von La Palma 24

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1 Comment

  1. Anne says:

    Wandern,
    ich empfehle mal nach El Hierro zu reisen. Dort wird die Natur besser geschützt als auf La Palma. Ich war gerade wieder dort.

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